„Die intellektuelle Erosion ist eines der größten Probleme der Region“ - das IDP unterwegs in Brandenburg

Beim Besuch eines Hybridkraftwerks

Wie können die Herausforderungen der demografischen Entwicklung gemeistert werden? Welche Anreize können Kommunen und Städte bieten, um Landflucht und steigender Arbeitslosigkeit zu begegnen? Welche Chancen stecken in der ökologischen Landwirtschaft? Wie kann eine strukturschwache Region von der Energiewende profitieren? Diesen und anderen Fragen gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 5. International Diplomats Programmes auf ihrer Reise durch Brandenburg nach.  


 
Auftakt des 5. Programmtags war ein Vortrag von Dr. Reiner Klingolz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. Er schilderte in seiner Präsentation vor allem die demografische Entwicklung Deutschlands und verwies darauf, dass insbesondere Ostdeutschland zu den demografischen Krisenregionen Europas zähle. Die Landflucht im Osten führe dazu, dass vor allem gering qualifizierte Männer zurück blieben, so Klingholz. „Die intellektuelle Erosion ist eines der größten Probleme der Region“. Die Geburtenrate in den neuen Bundesländern liege bei 0,8 Kindern pro Frau und damit noch weit unter dem bundesdeutschen Schnitt von 1,4 Kindern pro Frau. Deutschland gehöre neben Russland und Japan zu den weltweiten Verlierern des Bevölkerungswachstums. Bereits 2040 würden Frankreich und Großbritannien bevölkerungsreicher als Deutschland und damit sehr wahrscheinlich auch an Wirtschaftskraft überlegen sein. Um auf diesen Trend zu reagieren, plädierte Klingholz für eine längere Lebensarbeitszeit, eine höhere Frauenerwerbsquote sowie bessere Ausbildung und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Es komme darauf an, schnell zu reagieren, da der Kampf um Fachkräfte global geführt werde, so seine Prognose.

 

 

Im Ökodorf Brodowin.
In der Leitwarte der Firma ENERTRAG.

 

Der Bürgermeister der Stadt Prenzlau, Hendrik Sommer, erläuterte den Diplomatinnen und Diplomaten in einem anschließenden Gespräch im Dominikanerkloster der Stadt, dass nicht nur Fachkräfte sondern - insbesondere in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands - auch schlicht Beschäftigungsangebote fehlten. Zwar sei die Arbeitslosigkeit hier im Vergleich zu 2003 von 30 Prozent um gut die Hälfte auf 14,5 Prozent gesunken, diese stelle aber nach wie vor die größte Herausforderung für die Region dar. Hendrik Sommer machte kein Geheimnis daraus, dass es noch viele Probleme zu lösen gäbe, verwies aber auch mit Stolz auf das bereits Geleistete. So habe die Stadt Prenzlau, was die Förderung erneuerbarer Energien betreffe, eine Vorreiterrolle im Land eingenommen. Was das konkret bedeutet, konnten die Diplomatinnen und Diplomaten beim Besuch eines Hybridkraftwerks sowie der Leitwarte der Firma ENERTRAG erfahren. Hier erklärten ihnen Geschäftsführer Dr. Konrad Iffarth und Robert Döhring, Leiter Public Affairs, wie knapp 520 Windräder mehr als 2 Billionen Kilowattstunden Strom produzieren und welche logistischen Schwierigkeiten damit verbunden sind. Bei einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro konnten diese bisher aber gut gemeistert werden und so ist ENERTRAG einer der Hauptarbeitgeber in der Region.  


Dass die ökologisch nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen ein tragbares Geschäftsmodell sein kann, erfuhren die Diplomatinnen und Diplomaten auch während des letztens Programmpunkts an diesem Tag: Einem Besuch im Ökodorf Brodowin. Geschäftsführer Peter Krentz erklärte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, wie man mit dem Modell der ökologischen Landwirtschaft auf die neunen Gegebenheiten in Folge der politischen Wende von 1989/90 zu reagieren versuchte. Während der Betrieb in den 1990er Jahren noch weitestgehend unbekannt war, habe der Stellenwert von frischen Lebensmitteln gerade bei Konsumentinnen und Konsumenten im nahe gelegenen Berlin an Bedeutung gewonnen. Nachdem sich die Diplomatinnen und Diplomaten bei einem Abendessen selbst vom Geschmack der in Brodowin angebauten Bio-Produkte überzeugen konnten, trat die Gruppe ihren Rückweg nach Berlin an – beeindruckt von den Wirkungsmöglichkeiten und dem Optimums einzelner Akteure in der strukturschwachen Region.  
 

Das International Diplomats Programme ist eine Initiative des Auswärtigen Amts und der BMW Stiftung Herbert Quandt, die mit Unterstützung der DGAP durchgeführt wird. Jährlich werden bis zu 14 Diplomatinnen und Diplomaten aus dem Nahen und Mittleren Osten, Nordafrika, Süd-, Ost- und Südostasien eingeladen, Deutschland in dem einjährigen englischsprachigen Programm aus vielfältigen Perspektiven zu erleben. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an 1-da-r(at)diplo.de oder besuchen Sie uns auf facebook: www.facebook.com/TrainingForInternationalDiplomats.